Mit Anforderungsanalyse zum erfolgreichen Software-Projekt

 

Die Anforderungsanalyse sollte immer zu Beginn eines Software-Projekts stehen. Denn erst wenn Sie wissen, wie Ihre einzelnen Abteilungen genau arbeiten, können Sie definieren, wie eine Software-Lösung diese Prozesse nicht nur unterstützen, sondern auch optimieren kann. Und natürlich können Sie auch erst mit den Ergebnissen einer detaillierten Anforderungsanalyse gegenüber einem Anbieter angeben, welche Funktionen eine Lösung beinhalten muss. Die eigenen Workflows kritisch zu analysieren und nach Optimierungspotenzial zu suchen, stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen, ist jedoch der Schlüssel für die erfolgreiche Software-Einführung.

Was ist eine Anforderungsanalyse?

Eine Anforderungsanalyse kann grundsätzlich bei jedem Projekt angewendet werden und ist essenziell für IT-Projekte und Software-Einführungen. Ziel ist es alle Anforderungen an ein geplantes Projekt zu ermitteln, zu konkretisieren und zu strukturieren.

Was versteht man unter Anforderung?

Eine Anforderung ist eine eindeutige, dokumentierte, physische und funktionale Notwendigkeit, welche ein bestimmtes Design, ein Produkt oder ein Prozess in der Lage sein muss durchzuführen.

Die Anforderungen müssen zudem auf technische und wirtschaftliche Durchführbarkeit geprüft werden. Die Ergebnisse der Anforderungsanalyse werden meistens in einem Lastenheft dokumentiert.

Musterlastenheft

Warum sollte man eine Anforderungsanalyse durchführen?

Eine gründlich durchgeführte Anforderungsanalyse verhindert, dass ein Software-Projekt scheitert oder das geplante Budget überschritten wird, weil sich Anforderungen nachträglich ändern oder vom Anbieter selbst nicht umgesetzt werden können. Sie bildet sozusagen das Fundament für alle das Projekt betreffende Entscheidungen, Systemarchitektur, Vertragsgestaltungen oder auch die Kommunikation intern bzw. zwischen Anbieter und Ihrem Unternehmen.

Es geht nicht nur darum, Anforderungen auszuformulieren, sondern frühzeitig prüfen zu können, ob sie technisch und wirtschaftlich umsetzbar sind.

Ein weiterer Vorteil ist, dass eine Anforderungsanalyse dabei hilft einen gemeinsamen Konsens zu schaffen. Beziehen Sie die richtigen Stakeholder und Anwender von Anfang an in die Planung mit ein, erhöhen Sie die Softwareakzeptanz und vermeiden unnötige Features. Zudem können Sie durch eine Anforderungsanalyse Strukturen und Prozesse mit Optimierungspotenzial identifizieren.

Mit dem richtigen Anforderungsmanagement schaffen Sie es, Ihre Ziele für Ihr Projekt im Auge zu behalten. Sie stellen sicher, dass eine Software die Bedürfnisse der Anwender erfüllt und diese optimal bei der Arbeit unterstützt. Außerdem berücksichtigen Sie durch die Analyse auch den Input aller Stakeholder und Anwenderkreise.

Wie führt man eine Anforderungsanalyse durch?

Identifizieren Sie Ihre Stakeholder für das Projekt

Die Einführung einer Software wird die täglichen Arbeitsweisen in bestimmten Bereichen Ihres Unternehmens verändern. Zum Beispiel verzahnen Sie durch die Einführung einer CRM-Lösung Abteilungen wie Marketing, Vertrieb und Service enger miteinander oder verwalten über ein ERP-System Ressourcen über ein zentrales Tool, statt über viele verschiedene. Dabei hat jede Abteilung andere Arbeitsprozesse und unterschiedliche Ansprüche an die Software. Hinzu kommen technische Anforderungen der IT, die Interessen des Managements und gegebenenfalls rechtliche Belange des Datenschutzbeauftragten.

Die verschiedenen Interessensgruppen gilt es zu identifizieren und in die Anforderungsanalyse einzubeziehen. So stellen Sie sicher, dass Ihr Projekt nicht an den individuellen Bedürfnissen der Anwender vorbeigeplant wird.

Die Ist-Analyse oder Bestandsaufnahme

Die Ist-Analyse sollte vor der Anforderungsanalyse erfolgen. Hierbei untersuchen Sie die internen Arbeitsprozesse in allen Abteilungen, wie sie Schritt für Schritt im Detail ablaufen. Diese Bestandsaufnahme sollte so ausführlich wie möglich sein und kann deshalb mehrere Monate dauern.

Wollen Sie beispielsweise eine neue CRM-Software einführen, sollten Sie sich für die Ist-Analyse folgende Fragen stellen:

  • Wann tritt welche Abteilung auf welchem Kommunikationsweg mit Kunden in Kontakt?
  • Welche Prozesse laufen ab bei Serviceanfragen, Beschwerden, Wartungsaufträgen, Bestellungen und Produktanfragen und wer initialisiert diese?
  • Wo werden Informationen zu Kunden, Geschäftspartnern, Dienstleistern, Produkten und Waren bearbeitet und gespeichert? Welche Mitarbeiter bearbeiten diese Informationen mit welchen Zugriffsrechten?
  • Wie werden die Eingaben des Außendienstes, des Vertriebs, der selbstständigen Handelsvertreter oder des Wartungs- und Reparaturdienstes weiterverarbeitet?
  • Auf welche Weise werden Reporting, Analysen und Auswertungen erstellt?
  • Wie funktioniert die Kommunikation intern und wie wird Wissen zwischen den Mitarbeitern ausgetauscht?

Welche Herangehensweisen sich für die Bestimmung des Ist-Zustands eignen, lesen Sie in unserem Artikel über die Ist-Analyse.

Welche Prozesse können optimiert werden?

Diskutieren Sie nach dieser Bestandsaufnahme, bei welchen Prozessen es an welcher Stelle Verbesserungspotenzial gibt. Beziehen Sie dafür Feedback von allen Stakeholdern, z.B. auch Kunden und Geschäftsführung in die Anforderungsanalyse mit ein. Ziehen Sie alles in Betracht, was hilft, Ihre Prozesse schlanker und effektiver zu machen.

Nutzen Sie unterschiedliche Methoden zur Mitarbeiterbefragung, um so viele Informationen und Verbesserungsvorschläge wie möglich zu sammeln:

  • Strukturierte Interviews
  • Focus Groups
  • Fragebogen
  • Moderierte Workshops
  • Online-Umfragen
  • Berichte von Mitarbeitern

Der Soll-Zustand: vom Prozess zur Funktion

Nach der Ist-Analyse wissen Sie, wie Ihre Prozesse bisher ablaufen und wie diese idealerweise aussehen sollten. Im Rahmen der Anforderungsanalyse sollten Sie darauf aufbauend in der Soll-Definition detailliert die einzelnen Funktionen beschreiben, die die Software-Lösung abbilden soll. Welche Eingaben im System bedingen welche Verarbeitungsschritte und wie werden die Ergebnisse angezeigt? Wichtig bei der Erstellung von Anforderungen gerade bei einer Neueinführung von Software ist es, mit verschiedenen Granularitätsebenen zu arbeiten. Erstellen Sie also zunächst ein grobes Konzept, z.B. anhand von Use-Cases (konkreten Anwendungsfällen), und arbeiten Sie diese dann Schritt für Schritt detaillierter aus.

Beispiel: Status-Tracking von Ersatzteil-Bestellungen

Ein Außendienstmitarbeiter vom Reparaturservice erfasst mobil einen Auftrag über den nächsten Wartungstermin. Der Kollege von der Disposition sieht diesen Auftrag und bestellt sofort das vorgesehene Ersatzteil.

Das System zeigt dem Außendienstmitarbeiter durch einen farblich markierten Auftragsstatus, dass das notwendige Teil bereits bestellt wurde.

 

Beachten Sie:

  • Use Cases sollten immer einheitlich und in ganzen Sätzen beschrieben werden.
  • Der Name sollte anzeigen, was der Anwender bewirken möchte.
  • Akteure sollten immer genau benannt werden: z.B. Außendienstmitarbeiter vom Reparaturservice
  • Arbeitsschritte der Akteure und Arbeitsschritte des Systems sollten z.B. durch einrücken oder eine andere Farbe gekennzeichnet sein.
  • Die einzelnen Schritte im Ereignisfluss werden im Aktivstil geschrieben, um deutlich zu machen, wer diese vollzieht.
  • Der Fokus liegt auf der Aktivität des Anwenders. Die Wirkung der einzelnen Aktionen auf das System sollte logisch und klar beschrieben werden.
  • Use Cases sollte nicht länger als zwei Seiten sein.

Welche Arten von Anforderungen gibt es?

Häufig wird in einer Anforderungsanalyse zwischen funktionalen und nichtfunktionalen Anforderungen unterschieden.

Was sind funktionale und nichtfunktionale Anforderungen?

Funktionale Anforderungen

Funktionale Anforderungen betreffen direkt das zu entwickelnde System, bzw. die zu entwickelnde Software. Es handelt sich um notwendige Merkmale, Eigenschaften, Funktionen, Aktionen und Interaktionen.

Bei einem CRM könnten diese folgendermaßen aussehen:

  • Organisation und Verwaltung von Kontaktdaten
  • Anruf- und E-Mailintegration
  • Verwaltung von Aufgaben
  • Vertriebsprognosen
  • Pipeline-Ansicht für Vertriebsphasen
  • Kalenderintegration

Nichtfunktionale Anforderungen

Nichtfunktionale Anforderungen betreffen die Rahmenbedingungen eines Projekts:

  • Technisch: Hardware, Programmiersprachen
  • Schnittstellen: zu bestehenden Systemen wie ERP oder DMS, Kommunikation, Speichermedien
  • Dienstqualität: Geschwindigkeit, Speicherplatz, Zuverlässigkeit und Wartbarkeit
  • Betreuung: Versionsführung, Änderung und Weiterentwicklung, Handbücher und Dokumentationen
  • Benutzbarkeit: Ergonomie, Erlernbarkeit, Sprachen, Darstellung und Hilfebereich

Evaluieren Sie jeden einzelnen Prozess

Nachdem Sie in der Ist-Analyse Ihre Arbeitsprozesse vollständig aufgelistet haben, geht es nun an die Bewertung. Ohne Frage eine umfangreiche Aufgabe. Je gründlicher Sie an dieser Stelle vorgehen, desto besser sind Sie auf spätere Gespräche mit potenziellen Software-Anbietern vorbereitet. Klären Sie daher in der Anforderungsanalyse im Zuge der Soll-Definition folgende Fragen:

  • Ist der von Ihnen definierte Prozess vielleicht überflüssig?
  • Ist der Prozess optimal ausgearbeitet?
  • Können Sie den Prozess eventuell noch effizienter gestalten?

Priorisieren Sie Ihre Anforderungen

Haben Sie Ihre Prozesse eingehend bewertet, können Sie in der Anforderungsanalyse noch einen Schritt weiter gehen. Gliedern Sie Ihre überarbeiteten Prozesse in diese drei Kategorien:

  1. Kernprozesse: Auf diese können und wollen Sie auf keinen Fall verzichten.
  2. Optionale Prozesse: Diese würden Sie zwar gerne abbilden. Die Umsetzung hängt aber von weiteren Faktoren ab, und zwar von
    1. der Höhe der Implementierungskosten
    2. der Komplexität der Umsetzung
    3. der tatsächlichen Realisierbarkeit der Prozesse
  3. Nicht veränderbare Prozesse: Darunter kann ein bestimmtes System fallen, das Sie bereits fest in Ihrem Unternehmen integriert haben und einsetzen. Planen Sie die Einführung eines CRM-Systems und verwenden bereits eine ERP-Lösung, muss die neue Software eine Schnittstelle zu dem bestehenden System bieten.

Wenn Sie nach dieser Methode vorgehen, kennen Sie genau Ihre Kernanforderungen. Die Priorisierung der einzelnen Anforderungen können Sie später auch im Lastenheft angeben. So können Sie sich gezielt auf die Anbieter konzentrieren, die Ihre Anforderungen optimal umsetzen und dabei auch Ihr Budget einhalten.

Zuständigkeiten bei unterschiedlichen Prioritäten

Die Priorisierung der einzelnen Prozesse ist hauptsächlich Aufgabe der Key User. Als Key User bezeichnet man die Person im Unternehmen, die sich auf die entsprechende Software spezialisiert hat und erster Ansprechpartner für das Thema ist. Sie haben in ihren jeweiligen Fachgebieten den besten Einblick. Eine Entscheidung zu treffen ist demnach relativ einfach. Manche Prozesse können sich jedoch durch mehrere Abteilungen ziehen. Hier gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Alle Fachabteilungen sind sich einig, welche Prozesse besonders wichtig sind und unbedingt umgesetzt werden müssen. Die finanzielle Umsetzung ist außerdem im Budgetrahmen.
  • Die Anforderungen der involvierten Abteilungen sind sehr verschieden, sodass viele Prozesse im Optimalfall ihren Weg ins CRM finden sollten. Das Budget für die Umsetzung ist aber begrenzt. In diesem Fall ist es Aufgabe der nächsthöheren Unternehmensinstanz, eine Entscheidung zu treffen, welcher Prozess für das Unternehmen wichtiger ist. Entscheider kann die Geschäftsleitung sein, aber auch ein vorgesetzter Projektleiter.

Erarbeitung des Soll-Zustands wie ein Hausbau

Auch wenn die Analyse des Ist- und des Soll-Zustands auf dem Papier aufeinanderfolgende Prozesse sind, so verschwimmen sie doch oft miteinander. Um Ihre Anforderungsanalyse erfolgreich zum Abschluss zu bringen, müssen Sie laufend Anpassungen vornehmen. Wie beim Hausbau gilt auch hier die Regel: „Je früher Sie Änderungen vornehmen, desto besser und günstiger!“ Wenn Ihr Anforderungskatalog schon fast abgeschlossen ist und Ihnen doch noch umfangreiche Anpassungen einfallen, kann es teuer werden. Im schlimmsten Fall müssen Sie sogar ganz von vorne anfangen.

Von der Anforderungsanalyse zur Anbieterauswahl

Nachdem Sie in der Anforderungsanalyse den kompletten Umfang und Soll-Zustand Ihrer perfekten Software-Lösung definiert, validiert und konsolidiert haben, können Sie sich auf Anbietersuche machen. Die definierten Anforderungen, können Sie anschließend in einem Lastenheft zusammenfassen und an verschiedene Anbieter versenden. Lesen Sie eine ausführliche Anleitung für die Erstellung eines CRM-Lastenhefts

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