Planning Poker – Die agile Aufwandsschätzung

Projektteams stehen regelmäßig vor der Herausforderung, Aufwände realistisch schätzen zu müssen. Je früher der Zeitpunkt im Projekt und je komplexer der jeweilige Betrachtungsgegenstand, desto schwieriger gestaltet sich diese Aufgabe. Unsicherheit über die richtige Prognose führt oftmals dazu, dass mit unnötigen Puffern oder zu engen Zeitfenstern geplant wird. Das kostet Unternehmen nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Mit „Planning Poker“ – einer agilen Methode – verbessern Sie die Aufwandsschätzung.

Was ist Planning Poker?

Planning Poker, auch Scrum Poker genannt, ist eine spielerische Technik zur Schätzung von Aufwänden. Die Methode wird vor allem im Bereich der Softwareentwicklung eingesetzt. Die Mitglieder eines Teams schätzen dabei gemeinsam die Komplexität der zu entwickelnden Aufgaben. Dafür wird, wie der Name schon sagt, ein speziell entwickeltes Kartenspiel eingesetzt. Jede Spielkarte bildet dabei einen anderen Zahlenwert ab, mit dem die Teilnehmer den erwarteten Aufwand einer (Teil-)Aufgabe bewerten können.

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Womit spielt man Planning Poker?

Jeder Spieler erhält bei dem agilen Schätzungsverfahren ein spezielles Kartendeck. Ein Deck im Planning Poker besteht dabei standardmäßig aus 13 Karten: 0, 0.5, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 20, 40 und 100 sowie den Sonderkarten „Fragezeichen“ und „Kaffeetasse“.

Was bedeuten die Spielkarten?

Die Spielkarten dienen zur Schätzung des Aufwands der jeweiligen Aufgabe:

Zahlenkarten
0 – 100
Mit den Zahlenkarten wird der Aufwand für die jeweilige Aufgabe angegeben:
0: die Aufgabe ist so gut wie erledigt
0.5: sehr kleine Aufgabe
1-5: eher kleinere Aufgaben
8-13: mittlere Aufgabe
13: bildet oftmals maximale Komplexität einer Aufgabe ab, die innerhalb eines Bearbeitungszeitraums durchführbar ist
20 und 40: umfangreiche und komplexe Aufgaben, die noch in weitere Teilaufgaben heruntergebrochen werden müssen
100: sehr umfangreiche Aufgabe, die sich zum gegebenen Zeitpunkt und ohne weitere Spezifizierung nicht schätzen lässt
FragezeichenDie Karte mit dem Fragezeichen signalisiert, dass keine Einschätzung abgegeben werden kann, weil beispielsweise zu wenig Fachwissen für den Bereich dieser Aufgabe vorhanden ist.
KaffeetasseMit dieser Karte signalisieren die Spieler, dass eine Pause gewünscht ist. 

 

 

Wer nimmt am Planning Poker teil?

Beim Workshop zur Schätzung des Aufwands sollten alle Mitglieder des Entwicklungsteams, der Auftraggeber sowie ein neutraler Moderator – im agilen Projektmanagement oft Scrum Master genannt – mitwirken.
Bei einem CRM-Projekt sitzt beispielsweise sowohl das Projektteam des Software-Herstellers als auch das des Kunden zusammen in den „Poker-Runden“. Der neutrale Moderator übernimmt die Vorstellung der einzelnen Aufgaben. Bei der Bewertung selbst nimmt er nicht teil.

Wie funktioniert Planning Poker?

1. Vorbereitung

Im Vorfeld der agilen Aufwandsschätzung müssen die zu bewertenden Aufgaben definiert werden. Das übernimmt zumeist der Moderator des Termins. Bei agilen Schätzungsverfahren im Softwarebereich liegen die Aufgaben bzw. Anforderungen üblicherweise als Stories vor, weshalb nachfolgend von Stories gesprochen wird.

Beispiel für eine User-Story: Mitarbeiter Rollen zuweisen

Der CRM-Administrator möchte in der Maske „Mitarbeiter“ eine Liste der Rollen zur Verfügung gestellt bekommen, damit er den CRM-Nutzern ihre jeweiligen Rollen zuweisen kann.

Direkt vor Beginn des nächsten Entwicklungszeitraums kommt das Projektteam zusammen, um gemeinsam die Aufwände der einzelnen Teilprojekte zu schätzen. Jedes Teammitglied/jeder Mitspieler erhält dafür einen Kartensatz.

2. Durchführung

Der Moderator stellt die jeweilige User-Story vor und erklärt die wichtigsten Details. Danach folgt eine kurze Diskussion, in der offene Fragen (z.B. zu möglichen Risiken) geklärt und Anmerkungen ergänzt werden können. Anschließend wählt jeder Mitspieler die Karte mit der Zahl aus, die aus seiner Sicht dem Aufwand zur Umsetzung der Story am besten widerspiegelt und legt die Karte verdeckt auf den Tisch. Indem die Karten zunächst mit der Zahl nach unten auf dem Tisch liegen, soll eine gegenseitige Beeinflussung der Mitspieler vermieden werden. Sehr dominanten und sehr devoten Teilnehmern wird durch diese Methodik gleichermaßen Raum gegeben und jeder hat die Möglichkeit sich aktiv an der Schätzung zu beteiligen. Anschließend decken alle Mitspieler gleichzeitig ihre Karten auf.

Beim Planning Poker wird jeder gefordert und muss seine Gedanken aktiv teilen. Dadurch kommen neue Ideen auf, die die Qualität der Story steigern.

3. Ergebnisfindung

Nach dem Umdrehen der Karten sind folgende Ergebnisse möglich:

  • Konsens: Alle Teilnehmer haben die gleiche Karte und damit auch die gleiche Aufwandsschätzung abgegeben. Daraufhin wird die User-Story mit den entsprechenden Story-Points bewertet.
  • Geringe Abweichung: Die Schätzwerte der Mitspieler liegen eng beieinander. Der Aufwand für die User-Story wird demnach mit dem Mittelwert bewertet.
  • Große Abweichung: In diesem Fall legen die Schätzer mit der höchsten und niedrigsten Karte kurz ihre Gründe dar und alle anderen dürfen Input geben. Danach stimmen die Spieler erneut ab und wiederholen die Schleife, bis sie einen Konsens erreichen.

Ist ein Ergebnis gefunden, wird dasselbe Verfahren auf alle weiteren User-Stories angewendet. Sind alle Aufgaben abgearbeitet und bewertet, können Sie die Summe aller Story-Points ermitteln. Übersteigt diese die Gesamtsumme des Plan-Aufwandes, werden Prioritäten vergeben und entsprechend aussortiert. Planning Poker ist deshalb auch als eine konsensorientierte Schätztechnik bekannt.

Was sind die Vorteile von Planning Poker?

  • Einfachere Aufwandsschätzung: Schnellere Ergebnisfindung durch limitierte Werte.
  • Strukturierte Vorgehensweise: Aufwandsschätzungen arten oft in lange Diskussionen aus. Beim Planning Poker mit neutralem Moderator wir dem vorgebeugt.
  • Gemeinsame Schätzung: Keine Bewertung durch einen einzelnen Experten, sondern konsensorientierte und gruppendynamisches Vorgehen.
  • Höhere Qualität und Akzeptanz der Schätzung: durch gemeinsame Bewertung im Team.
  • Lernaspekt: Die Diskussionen während des Planning Pokers resultieren in Wissenstransfer an alle und steigern das Expertenwissen.
  • Ideenaustausch: Aufdecken von Potenzialen, Hindernissen, fehlenden Eckdaten etc.
  • Teambuilding: Gruppendynamische Aspekte, da sich jeder beteiligt, gehört wird und Verantwortung übernimmt.
  • Verschiedene Sichtweisen: Jeder Mitspieler gibt individuell seine Schätzung ab und wird nicht von bereits genannten Zahlenwerten beeinflusst.
  • Spaß: Gamification bringt Abwechslung in die Planung und lockert die oft unbeliebte Aufwandsplanung auf.

Tipps zur Umsetzung

  • Binden Sie das gesamte Projektteam ein
    Wer bei der Aufwandschätzung das gesamte Team einbindet, steigert die Qualität der Bewertung und auch die Akzeptanz des Ergebnisses. Wichtig ist, dass nur diejenigen Teilnehmer ein Stimmrecht besitzen und eine Schätzung abgeben, die später auch tatsächlich an der Umsetzung beteiligt sind.
  • Definieren Sie die User Stories präzise
    Stellen Sie sicher, dass die zu bewertenden Aufgaben klar definiert sind und ein einheitliches Verständnis bei allen Teilnehmern hergestellt ist. Planen Sie dabei genügend Zeit für Fragen und die Diskussion über die Anforderungen ein. Es kann auch vorkommen, dass einzelne User Stories noch einmal in kleinere, handhabbare Aufgaben unterteilt werden müssen.
  • Behalten Sie die Zeit im Blick
    Der Scrum Master ist zugleich der Time-Keeper im Termin. Er achtet darauf, dass die Diskussionen nicht in technische Details abschweifen und behält die Zeit im Blick. Wichtig dabei ist es aber auch, das Team nicht unter Zeitdruck zu setzen und die Pause-Karten (Kaffeetassen-Karten) zu berücksichtigen.

Fazit: Bessere Aufwandsschätzung

Planning Poker führt zu besseren Ergebnissen in der Aufwandsschätzung: Es fördert die Einbindung aller Beteiligten und verhindert, dass nur eine (dominante) Meinung die Entscheidungen prägt. Durch die Diskussionen entsteht außerdem ein gemeinsamer Wissensstand, der dazu führt, dass die Qualität der Entscheidungen, Stories und schlussendlich auch des Projekts, bzw. der Software steigt.

Veröffentlicht am 12.09.2019
Aktualisiert am 14.07.2021

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    1 Kommentar

    1. Anonymous

      In meiner Firma haben wir das schon ausprobiert und ich mochte es. Allerdings haben wir eine Version mit T-Shirt Größen (XS – XXL) statt Zahlen. Man kann die Karten auch als Tage, Stunden, Wochen o.ä. festlegen – dann fällt die Relation evtl. noch leichter – in jedem Fall eine zielführende Methode, kann ich nur empfehlen!

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